Seit rund drei Wochen sind wir auf der "Carretera Longitudinal Austral Presidente Pinochet" unterwegs. Die grösstenteils aus Schotter bestehende 1350 km lange Strasse wurde von Diktator Pinochet als Prestigeobjekt in Auftrag gegeben. Nach über 20 Jahren Bau wurde 1996 die südlichste Ortschaft Villa O'Higgins erschlossen. Carretera Austral, das bedeutet: Wunderbare und abwechslungsreiche Landschaft, viel Gerüttel auf der Schotterstrasse und viel Sonnenschein in den letzten Tagen, obwohl wir im Regenwald unterwegs waren.
Ab Villa o'Higgins fuhren wir entlang von endlosen Mooren, durchzogen von den typisch braun gefärbten Bächen und zahlreichen Wasserfällen. Viele Bergkuppen waren bedeckt mit Gletschern. Es folgten viele Seen und Fjorde, die wir mit Fähren überqueren mussten. Wir machten eine schöne Wanderung durch den Bosque Encantado, einen Regenwald mit riesigen Bäumen, die über und über mit Moos und Flechten bewachsen sind. Wie in einem Märchen. Am Ende des Wanderweges lud der Blick auf einen Hängegletscher mit Wasserfall und Bergsee zum Verweilen ein.
Die Carretera besteht mehrheitlich aus Schotter unterschiedlichster Qualität. Einige Abschnitte sind fast glatt, manche mit sehr grobem Kies durchsetzt. Zum Teil macht einem das berüchtigte Wellblechmuster das Leben etwas schwer. Der Ripio lockert alle möglichen Schrauben, rüttelt alle Organe an den richtigen Platz und zerrt ein wenig an den Nerven. Zu schaffen macht uns manchmal auch der Staub, der bei jedem vorbeifahrenden Auto aufgewirbelt wird, was zum Glück eher selten passiert. Umso mehr genossen wir Beton- oder Asphaltstrassen, die es in den letzten Tagen ab und zu gab.
Dörfer gibt es einige, so konnten wir uns regelmässig mit Essen versorgen. Leider ist das Angebot an Esswaren meist sehr klein. So verbrachten wir viele Stunden damit, uns bei allen vorhandenen Läden die leckersten Zutaten zusammenzusuchen. Kulturell konnten wir nur wenig in Erfahrung bringen - viele Dörfer sind nicht älter als 50 Jahre. In Puyuhuapi hatten wir den Eindruck, dass die Einheimischen langsam genug hatten von den Touristen. Die Saison ist praktisch zu Ende und wahrscheinlich wollen sie ihre Ruhe.
Das Dorf Chaitén ist noch viel jünger: 2008 gab es einen Vulkanausbruch, welcher das ursprüngliche Dorf völlig verschüttete. Es wurde an einem anderen Ort neu aufgebaut, was man dem Ortsbild jedoch nicht wirklich ansieht.
Übernachtet haben wir grösstenteils im Zelt. In der Regel ist es kein Problem, irgendwo ein schönes Plätzchen für sein Zelt zu finden. Ein wahrer Glücksfall war der Camping Cerro Color auf einem kleinen, sehr idyllisch gelegenen Bauernhof. Wir durften dort frisches Gemüse direkt und gratis aus den Gewächshäusern aussuchen. Ein wahrer Genuss, denn Gemüse, vor allem frisches, ist hier selten. Der Besitzer unternahm mit uns eine Bootsfahrt, bei der wir, leider erfolglos, versuchten zu fischen. Dafür kochte uns Philomena das beste Lachsgericht, das wir je gegessen haben.
Nun sind wir in Puerto Montt, dem anderen Ende der Carretera Austral angelangt. Als nächstes werden wir wohl zwischen den chilenischen Seen nach Argentinien wechseln und dort weiterhin nordwärts radeln.
Die wunderschöne, vielfältige, naturbelassene Landschaft Nordpatagoniens war alle Strapazen Wert. Die Carretera ist im heutigen Zustand zu einem grossen Teil reinster Genuss. Man muss nie für länger als 2 - 3 Tage Essen mittragen. Es gibt fast überall Wasser (lässt sich direkt aus den meisten Bächen trinken). Wildes Zelten ist kein Problem. Im Prinzip die perfekte Veloreise-Route.
Auf dem Abstecher nach Caleta Tortel
typisch Carretera Austral
vorbei an Seen und Mooren
im Bosque Encantado
Im Regenwald ist das Zelt immer nass.